6. Juni 2002

TIBET INFORMATION NETWORK

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Verurteilung des Leiters eines Waisenhauses bestätigt

Von TIN kürzlich aus Tibet erhaltenen Berichten zufolge leisten Jigme Tenzin Rinpoche (auch "Bangri" Rinpoche genannt) und seine Partnerin Nyima Choedron, die früher das Gyatso Kinderheim in der Nähe des Norbulingka in Lhasa führten, lange Gefängnisstrafen, vermutlich wegen Spionage und Gefährdung der Staatssicherheit, ab. Die genauen Anklagepunkte, die zu ihrer Verurteilung führten, sowie ihr Strafmaß sind nicht bekannt.

Jigme Tenzin Rinpoche und seine Partnerin, eine ehemalige Nonne, wurden irgendwann im August oder Oktober 1999 festgenommen. Dieser Verhaftungsfall ist einer der undurchsichtigsten der letzten Jahre in Lhasa und hat schon zu vielen Spekulationen innerhalb und außerhalb Tibets Anlaß gegeben. Vor seiner Schließung durch die Lokalbehörden und die Festnahme seiner zwei Hauptlehrer beherbergte das Gyatso Kinderheim etwa 50 Schüler zwischen 3 und 15 Jahren, die meisten davon Waisen aus verschiedenen Teilen der Autonomen Region Tibet. Das Projekt, das hauptsächlich von Ausländern gefördert wurde, schien gut zu laufen. Der Rinpoche war mindestens einmal in Indien gewesen und hatte auch die USA besucht.

Es scheint, daß es im Zusammenhang mit dem Bau einer zweiten Waisenschule zu Problemen kam. Wie wir hörten, arbeitete der Rinpoche damals mit dem Bauunternehmer Tashi Tsering zusammen, der im August 1999 während der Nationalen-Minderheiten-Spiele in Lhasa einen Sprengstoffanschlag ausführen wollte. Gleichzeitig versuchte er auch, die chinesische Flagge am Potala Platz herunterzuholen (www.tibetinfo.net/news-updates/nu100999.htm). Er starb im Februar 2000, vermutlich nach schwerer Mißhandlung, im Gefängnis (siehe: www.tibetinfo.net/news-updates/nu131099.htm und www.tibetinfo.net/news-updates/nu230300.htm). Ein Grund für die Verhaftung Jigme Tenzin Rinpoches und Nyima Choedrons könnte daher ihre Verbindung zu Tashi Tsering sein. Anderen Berichten zufolge soll der Rinpoche mit einer Baufirma in Streit geraten sein, was Anlaß zu seiner Denunzierung gegeben haben könnte. Derartige Fälle sind in den letzten Jahren in dem aggressiven Milieu des Baugewerbes in Lhasa relativ häufig geworden. Es gibt auch Gerüchte, der Rinpoche habe sich Korruption und finanzielle Unregelmäßigkeiten, sowie andere kriminelle Aktivitäten zuschulden kommen lassen. Wie ein ehemaliger Schüler des Waisenhauses sagte, wurde den Angestellten und den Schülern erklärt, daß der Rinpoche im Zusammenhang mit dem Neubau eines Gebäudes verhaftet und vor Gericht gestellt worden sei.

Die letzten Informationen über die Art der Anklage gegen den Rinpoche und Nyima Choedron scheinen den politischen Aspekt des Falles zu bestätigen, denn die Formel "Spionage und Gefährdung der Staatssicherheit" ist eine übliche Umschreibung für "politische" Vergehen. Vielleicht wurden auch einige nicht-politische und nicht mit der Staatssicherheit verbundene Anklagepunkte gegen ihn erhoben. Da jedoch keine Einzelheiten über den Fall bekannt wurden, kann dies nicht mit Gewißheit gesagt werden.

Nach der Verhaftung des Rinpoches und Nyima Choedrons durchsuchten Beamte des Public Security Bureau alle Schlaf- und Klassenzimmer der Schule. Auf die Schließung der Schule hin soll auch ihr Bankkonto eingefroren worden sein. Mindestens fünf Lehrer und Betreuer der Kinder sollen ebenfalls festgenommen worden sein, und einige sollen auch im Gefängnis gewesen sein. Die Angestellten wurden inzwischen alle freigelassen außer Geleg Nyima, einem tibetischen Thangka Maler, der noch in Haft sein soll. Wie TIN erfuhr, sollen auch einige Kinder des Waisenhauses von der Polizei in Lhasa befragt worden sein. Diese Verhöre wurden eingestellt, als lokale Offizielle die Befürchtung äußerten, die Kinder könnten Schaden dadurch nehmen. Nach Schließung der Schule wurden etliche der fast 50 Kinder an ihre Herkunftsorte zurückgeschickt, darunter auch in die Kreisstadt Chamdo (chin. Changdu) in der Präfektur Chamdo im östlichen Teil der TAR. Einige wurden später wieder nach Lhasa zurückgebracht, weil sich niemand fand, der sie hätte in Obhut nehmen können, und wie es heißt, endeten einige sogar als Bettelkinder in den Straßen Lhasas.

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